Das Gegenteil von kompliziert
Catt plant gerade ihren Umzug nach Weimar
Catt ist zurück. Mit ihrem zweiten Album, das im März erscheint. Es heißt »Change«. Die Lieder sind das Gegenteil von kompliziert. Sie sind wie ein warmes Zuhause in Zeiten der Transformation. Inseln der Schönheit und des Friedens, der Freude und Leichtigkeit! In den letzten zwei Jahren habe ich Liebe und Schmerz tiefer erlebt als je zuvor. Persönlich und kollektiv. Das hat viel aufgebrochen, viel verändert, mir aber auch viel Klarheit gebracht. Das macht natürlich neugierig. Ich kam mit der sympathischen Sängerin, die gerade ihren Umzug nach Weimar plant, ins Gespräch.
An was denken Sie sofort, wenn ich meine Heimat Thüringen erwähne?
An schöne Konzerte und herzliches, buntes Publikum, das manchmal zunächst etwas zurückhaltend ist und dann so richtig merklich aufblüht. Schöne, weite Landschaften mit Bergen und Wald. Altstädte und teils wunderliche, ursprüngliche Dörfchen, die ich irgendwie auch charmant finde.
Nach dem großen Erfolg steigt der Druck für die nächsten Produktionen?
Tatsächlich freue ich mich einfach, dass die Lieder ihren Weg zu Menschen finden. Das beeinflusst aber nicht die Musik, die ich als nächstes mache. Größerer Erfolg bringt generell vielleicht mehr Möglichkeiten, Ideen umzusetzen. Mit dem Wachsen der Zuhörerschaft können auch die Visionen wachsen, die ich kreativ verwirklichen kann. So möchte ich das am liebsten betrachten. Druck jeder Art macht immer eng, das versuche ich stets, aufzulösen.
Welchen Anspruch haben Sie selbst?
Den Anspruch, mir selbst oder dem, was ich gerade bin, treu zu sein. Hindernisse möglichst schnell zu überwinden und transformieren. Beides kann manchmal zu Perfektionismus oder Ungeduld führen. Um also auf den Druck in der vorherigen Frage einzugehen: Den mache ich mir wenn dann selbst, weil ich denke, manches geht mir nicht schnell genug.
Natürlich die obligatorische Frage: Wie empfanden Sie die Coronazeit privat und beruflich?
Erst einmal sehr herausfordernd, weil alle Pläne – zum Beispiel auf die erste eigene Tour zu gehen, natürlich zunichte gemacht wurden. Das brachte mir dann aber Zeit, mein erstes Album »Why, Why« zu machen. Das wiederum kam dann im völligen Lockdown raus, was wiederum vieles sehr unbeweglich machte. Aber auch hier öffneten sich Wege, es lief zum Beispiel mehr über Online-Konzepte. Es war eine Achterbahn und gleichzeitig bin ich und mein ganzes Team enorm daran gewachsen, flexibel zu sein und kreative neue Wege zu finden. Schneller zu akzeptieren, wenn sich Pläne ändern und zu schauen, wie man das Beste aus neuen Umständen macht.
Was hat sich bei der Entstehung und Produktion der Titel verändert? Entstanden die neuen Titel ähnlich?
Bisher habe ich all meine Songs allein geschrieben, aufgenommen und größtenteils selbst produziert. Mein neues steht für äußere und innere Veränderung. Ich habe erstmals meine Band eingeladen, mitzuspielen. Habe mit zwei Co-Produzenten zusammengearbeitet, deren Qualitäten ich gern an meiner Seite wollte. Gleich wie zuvor war, dass ich mich erst einmal allein in ein kleines Häuschen aufs Land zurückgezogen habe, um die Songs zu schreiben und Demos aufzunehmen. Dann haben wir aber gemeinsam in Berlin an den Liedern gearbeitet. Der Sound und einfach das Spektrum an Experimentierfreude hat sich auf jeden Fall erweitert. Ich bin allem gefolgt, was mir Freude gemacht hat. Die Gitarre zum Beispiel ist ein sehr hörbares Element, das dazu gekommen ist.
Was mögen Sie mehr? Songs einspielen oder vortragen?
Beides hat seinen Zauber. Wenn ein Lied entsteht, hat das meistens einen Grund. Wird von einer Situation in meinem Leben angestoßen und gießt sich dann auf magische Weise durch mich hindurch in eine Form. Das ist eine sehr besondere Phase, wie kleine Geburten von etwas Lebendigem, das vorher noch nicht da war. Das mag ich sehr, ist aber auch anstrengend, weil es aufreibend sein kann, wenn man da mitten drinsteckt. Das Live-Spielen ist dann bereits eine andere Ebene. Ich habe den Song gewissermaßen losgelassen, jetzt ist er für alle da und wird in einen Raum gegeben. Da entsteht dann wieder neues Leben, das ist jeden Abend anders, je nach Stimmung im Raum. Das macht Spaß, weil man da in so verbindende Resonanz mit den anderen geht. Beim Schreibprozess geht man in Resonanz mit sich selbst, das ist auch wichtig. Phasenweise ist mal das eine, mal das andere dran.
Verraten Sie uns etwas gegen Lampenfieber? Wie gestalten sich die letzten Minuten vor dem Auftritt?
Für mich persönlich etwas ganz Simples: tief atmen. Das bringt einen ganz sicher immer in eine bessere Balance und Erdung. Dann rufe ich die Band zusammen und wir fühlen gemeinsam rein, was wir uns für den Abend wünschen. Jeder kann eine Intention einwerfen. Mal wird dann angestoßen, mal getanzt, mal auch erwartungsvoll geschwiegen und schon mal heimlich hinter den Vorhang geblinzelt. Manchmal bestimmen wir auch einen Song, der an dem Abend besonders viel Zuwendung bekommen soll von uns. Wie das Konzert sich dann aber entwickelt, kann man nie voraussagen. Da muss man vor allem präsent sein und Kontrolle loslassen.
Wo sehen Sie sich in fünf bis zehn Jahren?
Ich sehe – oder wünsche mir – ein glückliches und für mich zu dem Zeitpunkt stimmiges und ehrliches Dasein und Wirken, egal ob musikalisch oder generell. Aber: immer aus dem Herzen leben, kreieren und Herzen berühren. Und tatsächlich plane ich demnächst, nach Weimar zu ziehen. Mal sehen, ob das klappt.
Die »Change«-Tour beginnt Ende November 2023.