Die Liebe durchdenken
Im Gespräch mit der Musikerin Sarah Lesch
Das Liedermacherinnen-Image krempelt Sarah Lesch in diesem Jahr komplett um und läutet mit dem neuen Album „Gute Nachrichten“ und frischem Sound den Anfang einer neuen Ära ein. Die Hüterin der tröstlichen, versöhnlichen Worte begibt sich gemeinsam mit ihrem Freund und Begleiter Philipp Wiechert an der Gitarre und dem Banjo auf deutschlandweite Weihnachtstournee. Gemeinsam laden sie am 13. Dezember in die Stadthalle Apolda zu viel Musik, Poesie, Lieblingsliedern, Geschichten und ausgewählten Stücken von Gerhard Schöne bis Bettina Wegner ein. Nun also „Weihnachten mit Sarah Lesch“. Das macht neugierig. Ich kam mit der Leipzigerin ins Gespräch.
Frau Lesch, herzlich willkommen in Thüringen. Was fällt Ihnen spontan zu meinem Heimatland ein?
Thüringen ist auch mein Heimatland. Deshalb fällt mir sofort der Schrebergarten von meinem Onkel Dirk ein, wo ich ganz oft bin. Und natürlich denke ich an das Schloss Altenburg. Ich komme ja ursprünglich aus Altenburg. Die Stadt ist auch ein Teil meiner Kindheit.
Wann haben Sie entschieden, Ihren Lebensunterhalt als Musikerin zu verdienen?
Selbständig habe ich mich als Musikerin 2014 gemacht. Aber mir war schon vorher klar, dass das mein Ziel ist. Bis dahin arbeitete ich als Erzieherin, was mich stark inspiriert hat, Musik zu machen. Zumal ich schon vorher Alben produziert habe. Ich wollte einfach nur noch Zeit mit der Musik verbringen. Und ich liebe, was ich mache.
Wo und wie entstehen Ihre Texte?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin gerne in der Natur und auch zu Hause, denn die gewohnte Umgebung ist oft sehr angenehm. So schreibe ich z. B. ganz viel in der Küche am Küchentisch, weil gerade dort das Leben passiert. Ansonsten fallen mir Texte ein, wenn ich unterwegs bin, genau in den Momenten, wo der Kopf frei ist, sich nicht ablenken lässt und ganz bei sich ist.
Wie entstehen Ihre Programme?
Ich biete unterschiedliche Programme an. Meistens denke ich mir viel aus, mein Team hört mir zu und versucht, diese Ideen ziemlich genau umzusetzen.
Ich habe lange Zeit in Tübingen gewohnt und gearbeitet. Am dortigen Theater besuchte ich ein Konzert von Gerhard Schöne, der damals ein Wunschkonzert spielte. Die Gäste durften sich dort einfach Titel wünschen und begründen, warum man sich genau diesen Song aussuchte. Und ich spürte im Laufe der letzten zehn Jahre, dass die Leute sehr viel Bedarf haben, sich Lieder zu wünschen, was sich jedoch für uns Kunstschaffenden auf der Bühne sehr anstrengend gestaltet. Dabei finde ich die Weihnachtszeit genau für diese Idee ideal, weil sie eine Einkuschelzeit ist und ein schöner Liederabend passt. Bei dem Apoldaer Programm bin ich froh über Philipp Wiechert, einen ganz tollen Gitarristen und Musiker aus Leipzig, an meiner Seite.
Wie bereiten Sie sich auf die Auftritte vor?
Wir machen meistens einen Soundcheck. Das hilft schon, im Raum anzukommen und sich einzuspielen. Manchmal spielen wir auch hinter der Bühne Songs, um warm zu werden. Und dann essen wir gemeinsam. Ich liebe es, gemeinsam mit der Band, ein bisschen Alltag reinzuholen.
Aber auch der Rückzug ist mir wichtig. Ich mag es gerne, Ruhe und meinen Schutzraum zu haben. Nach dem Konzert ist es mir wichtig, dass man sich mit allen Beteiligten auf der „Freudewelle“ austauscht.
Haben Sie noch Lampenfieber?
Ja. Meine Band würde jetzt lachen, wenn ich sagen würde, ich hätte kein Lampenfieber. Klar, ich bin total angespannt, aber freudig angespannt. Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste weglaufen. Es fällt mir alles Mögliche ein, warum ich nicht auf die Bühne kann. Aber das ist bei mir eher eine Art Euphorie. Ich bin ja auch eine Person, die ohne Zettel auf die Bühne geht. Wenn man jedoch alles frei macht, ist man noch aufgeregter, denn man weiß ja im Vorfeld nicht, was passiert. Auch wenn wir mit einem neuen Programm zum ersten Mal auf die Bühne gehen, sind wir wahnsinnig aufgeregt. So ist auf der einen Seite das Spontane toll, jedoch auch aufregend.
Es gibt ja die These, die besagt, dass wenn man nicht mehr aufgeregt ist, man aufhören sollte.
Stammen die Ideen Ihrer Lieder aus Ihrem Leben?
Ich schreibe Lieder über Dinge, die mich berühren. Meistens kommen die Geschichten von Leuten, die mir begegnen, ich sehr liebe oder mich beeindruckt haben. Vieles ist aus meinem Leben, was mich als Frau oder Quere konfrontiert, wie Sexismus, vielleicht auch Angst, Wut, Gewalt und Abschied. Die Leute sollen spüren, ich bin mit meinen Problemen nicht alleine . Mit einem Lied hat man eine Geschichte in die Zeit gemeißelt. Wenn ein Lied in der Welt ist, dann ist es da. Man hat auch nicht mehr im Griff, was mit ihm passiert. Das gibt eine Magie und Kraft. Es gibt ganz viele Gründe, Lieder zu schreiben. Ich wünsche mir manchmal, dass es runder und perfekter ist, aber es wird so wie es wird. Ein Lied ist immer frei.
Freuen Sie sich auf die Advents- und Weihnachtszeit?
Ich liebe Weihnachten und die Weihnachtszeit total und finde es witzig, dass Deutsche so gut darin sind, sich darüber zu beschweren. Man muss natürlich die Kunst beherrschen, nicht zu hetzen, aber alles mitzumachen. Ich mag es, auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, das geht ja in Leipzig prima. Ansonsten ist es gut für mich, dass wir dieses Jahr diese Konzerte haben, weil ich früher oft mit meinem Opa zusammen war, der in Baden-Württemberg wohnte und leider vor kurzer Zeit verstorben ist. Dieses Weihnachten wird für mich daher wohl sehr traurig. Früher haben wir Räuchermännchen angemacht, die Helene-Fischer-Show geguckt, Karten gespielt und Heiligabend Kartoffelsalat und Würstchen – ich ohne Würstchen – gegessen. Und dann gibt es viele Geschenke in meiner Familie. Wir versuchen, möglichst viele Familienmitglieder zu besuchen. Man ist beisammen und trifft eben Angehörige, die man sonst selten sieht.
Sie haben einen Wunsch frei.
Ich wünsche mir, dass ganz viele Menschen zu den Konzerten kommen. Das Schönste, was es gibt, ist ein voller Raum mit Leuten, die die Liebe durchdenken.
Das Gespräch führte
Kirsten Seyfarth